Wir leben in einer Welt, die eine scheinbar sichere ist: Die großen Probleme haben wir weit fort geschoben, weit hinter die Landesgrenzen. Sie beginnen, wo Europa endet: Kriege, Folter, Seuchen, Hungersnöte, Sklaverei – das kennen wir nur in der Theorie, da beruhigen wir uns selbst mit monatlichen Spenden hier und da. Doch unsere sichere Welt endet, wenn wir aus der Haustüre treten und einen obdachlosen Bettler sehen. Sie endet, wenn tausend Neonazis Parolen dreschend unter unserem Balkon entlang marschieren. Dann sehen wir die Welt plötzlich maskenlos. Spürbar ist eine zunehmende Verhärtung innerhalb der Gesellschaft, die Rücksichtslosigkeit und Kalkül belohnt – und ein mangelndes Mitgefühl für alle „Verlierer“, seien es Völker oder Einzelpersonen. Dabei sind es eben jene Verlierer, die unser sicheres Leben ermöglichen. Die Probleme wären lösbar, wenn wir nur die Nase über die Grenzen unserer Stammtische und Länder und Kulturkreise schöben, wenn wir endlich mal miteinander statt immer nur gegeneinander arbeiten würden. Ein friedliches Miteinander der Kulturen und Religionen wäre unbedingt nötig. Ich bin sicher, die meisten von uns würden nicht mit einem Achselzucken über dieses Elend hinweggehen – könnten wir es sehen! Aber wir sehen es nicht – es ist zu weit weg von unserer Karriere, unseren Vergnügungen, unserem ganzen selbstzufriedenen Leben.
7.000 km Radfahren waren das Ziel
… aber sehr bald haben wir festgestellt, daß es wichtiger ist, die Etappen zu kürzen, um mehr Zeit mit den Menschen in den Flüchtlingsunterkünften zu haben, für Gespräche, Begegnungen, Austausch – wir haben uns mit Hunderten Flüchtlingen unterhalten, haben mehr als 80 Einrichtungen, Heime oder Lager besucht. Im Winter bei Eis und Schnee gestartet, haben wir bei über 20 Grad Sonnenschein wieder München erreicht – es waren schöne, manchmal beschwerliche Strecken, wichtig, um die vielen, oft so tragischen und traurigen Schicksale, von denen wir erfuhren, zu bearbeiten.
Eine lange Tour – und eine erschütternde dazu. Sie hat mich, und ich glaube jeden, der mich ein Stück weit begleitet hat, verändert. Nicht, dass ich an die goldenen Fassaden unserer Gesellschaft je geglaubt hätte – aber immerhin sollte doch ein Staat, der sich die goldenen Worte der Demokratie und der Freiheit groß auf die Fahnen schreibt, der im Namen der Menschenrechte Soldaten in die weite Welt entsendet, diese demokratischen Grundsätze auch im Innern einhalten. Die Art jedoch, wie hierzulande mit Flüchtlingen umgegangen wird, hat mit Menschenrecht und Grundgesetz nicht mehr viel zu tun. Das ist schrecklich, war aber nicht überraschend für mich. Was mich aber wirklich zutiefst erschrocken hat, ist die Selbstverständlichkeit mit der das geschieht und möglich ist. In so vielen Städten! So offensichtlich! So begraben durch Desinteresse und Vorurteile – so bewusst isoliert, ausgeschlossen, stumm gemacht und gedemütigt! „Die Würde des Menschen ist unantastbar…!“ – haben wir denn schon vergessen, warum gerade dieser Satz am Anfang unseres Grundgesetzes steht? Haben wir vergessen, was das hier für ein Land war vor 60 Jahren? Dass wir selbst die weltweit größten Flüchtlingsströme erzeugt haben? Dass wir einen Diktator an der Spitze hatten, vor dessen Terror wir wohl alle geflohen wären? Wir fühlen uns so grundlegend und endgültig sicher in der westeuropäischen Arche Noah – aber zeigen nicht die jüngsten Ereignisse in Japan, wie gefährdet alles Leben und wie trügerisch alle vermeintliche Sicherheit ist? Zwei Mal Fukushima hier bei uns – und wir sind auch ein Flüchtlingsland!
Nun spielen wir doch mal durch, was dann passieren würde.
Wir haben zwei kleine Kinder, wir fliehen mit ihnen, unserem Partner, vielleicht noch unserer kranken alten Mutter. Wir lassen alles zurück, was wir besitzen, fliehen vielleicht jahrelang durch eine Odyssee aus Verzweiflung und Gewalt – und kommen dann endlich an in einem der reichsten Länder der Welt, in einem Land, das sich selbst immer als Vorbild für Recht und Demokratie nimmt – und wie geht es uns da in etwa? Vielleicht landen wir in einem Flüchtlingsheim wie Wunsiedel: mitten in der Stadt und doch völlig unbekannt. Hausdienst am Wochenende hat die Polizei. Wir bekommen zu fünft ein Zimmer von 20 Quadratmetern – es steht eine Toilette für dreißig Personen zur Verfügung, eine Waschmaschine für sechzig, keinen Gruppenraum, kein Deutschunterricht, keine Reiseerlaubnis. Das immer gleiche schlechte Essen. Es gibt 40 Euro Taschengeld pro erwachsene Person (jedes Kind 20 Euro) – davon müssen wir Kleidung kaufen, Bustickets kaufen, Schulsachen für die Kinder (ein Schulbuch kostet schon 20 Euro!), müssen Porto- und Telefongebühren zahlen, einen Anwalt (schaffen wir nicht), Übersetzungen (schaffen wir nicht), Gebühren für jeden Behördengang, Arzt- und Zahnarztgebühren, Medikamente usw. usw. Wir bekommen Briefe in einer Sprache, die wir nicht verstehen, wichtige Briefe, manchmal lebenswichtige, die uns Fristen setzen, von deren pünktlicher und korrekter Beantwortung unsere ganze Zukunft abhängt. Wir können Pech haben, wie ein Roma-Vater aus dem Kosovo. Vor seinen Augen haben albanische Soldaten ein Messer mehrfach in den Körper seines fünfjährigen Sohns gestochen, damit er verrät, wo sich die serbischen Stellungen befinden – und der zuständige deutsche Sachbearbeiter glaubt ihm nicht, behauptet, die Wunden habe er selbst seinem Sohn zugefügt – um sich hier eine Aufenthaltserlaubnis zu erschleichen. Wie antworten? Wer hilft? Und dann sagt man uns, wir hätten noch Glück gehabt: es hätte uns auch in ein Lager wie Langschoß bei Aachen verschlagen können. Mitten im Wald, 20 km vom nächsten Supermarkt entfernt, in völliger Abhängigkeit vom Hausmeister, dem einzigen Mann mit Auto (denn ein Bus hält hier nur einmal am Tag – und nur wochentags).
Was tun, wenn wir krank sind oder unsere Kinder
… und es gibt Kinder dort und es gibt Kranke und der Hausmeister fährt nur, wenn er selbst es für nötig hält. Dabei ist das gar nicht seine Schuld: er ist als Hausmeister angestellt. Er muß für eine unmenschliche Politik herhalten. Er ist mit aller Verantwortung alleingestellt. Gut: den internationalen Führerschein hätten wir auch, aber der gilt nicht in Deutschland und die Gebühren für eine Umschreibung können wir niemals zahlen von den 40 Euro monatlich. Arbeiten? Verboten! Strengstens verboten! Sollten wir dabei erwischt werden, drohen Geld- und Gefängnisstrafen, in jedem Falle (wie z.B. auch wenn wir gegen das Reisegesetz verstoßen und einen Bruder im benachbarten Landkreis besuchen) sind wir nach solchen Verstößen kriminell. Und als Kriminelle sinkt unsere Chance auf Anerkennung gleich null. Also halten wir still. Wir halten selbst dann still, wenn wir auseinander gerissen werden: die Mutter mit einem Kind in das eine Lager, der Vater mit den zwei anderen Kindern ins andere – oder aber die Mutter alleine und der Vater mit den Kindern wo anders. Kommt alles vor – und ohne Hilfe und massive Unterstützung seitens der Flüchtlingsorganisationen wird da auch kaum was geändert. Wir lesen – wieder bei dem Roma-Vater in Kassel, dass der Beamte schreibt, der Kosovo sei eine sichere Gegend, es gebe keinen Grund zur Flucht. Der Asylantrag sei deshalb abgelehnt. Der Roma-Vater weint. Die bringen mich um, wenn ich zurück gehe, die vergewaltigen meine kleine Tochter. Wir blicken in die Augen der Tochter. Erwachsenenaugen, traurig und müde. Was so alles sicher ist! Zumindest aus der Perspektive eines komfortablen Bürozimmers betrachtet! Jeder, der einen Urlaub in Afghanistan buchen möchte, würde von zehn Behörden besorgt zurückgepfiffen, aber immer mehr afghanische Familien werden zurzeit zurückgeschickt. Ein Widerspruch? Ja, aber nur, wenn man Deutsche und Afghanen gleich betrachtet.
Wir sind immer noch in Wunsiedel
… wir verstehen nicht, dass wir – trotz allem – Glück haben sollen. Gut, wir sind in Sicherheit, denken wir. Denn wir ahnen ja nicht, dass uns die Behörden zunächst mal nichts glauben werden, dass wir alle Fluchtgründe beweisen müssen, wir wissen nichts von der Verzweiflung des Roma-Vaters. Wir können auch zu fünft auf zwanzig Quadratmeter leben, es ist ja nur für ein paar Wochen. Dann erfahren wir anderes: Familien, die seit zehn Jahren so leben, mit halberwachsenen Kindern, noch immer in den gleichen zwanzig Quadratmetern. Wir sehen die Männerquartiere: 4,5,6 Männer auf zwölf Quadratmeter. Das geht nur in Doppelstockbetten. Wie in Reutlingen. Es gibt einen Richtwert für Baden-Württemberg – 4,5 Quadratmeter stehen jedem zu – aber zur Not werden eben die Quadratmeter der Flure und Küchen und Hygieneräume dazugerechnet. Die Hygieneräume verrostet, runtergekommen, nie saniert, die Zimmer nicht durchzulüften – zwei windstille Innenhöfe zu beiden Seiten – im Sommer vierzig Grad in den Zimmern – sechs Männer: Christen, Muslime, Araber, Russen, Schwarzafrikaner – egal, alles zusammengepfercht, ohne Aufgabe, zur Langeweile und Tatenlosigkeit verurteilt – und das nicht für zwei Wochen oder zwei Monate – sondern für zehn oder fünfzehn Jahre. Eine Frau in Mecklenburg-Vorpommern, 27 Jahre alt, die als dreijähriges Mädchen hierher kam – und nur Lager kennt, ihr ganzes bisheriges Leben nur in Duldung, in Reise- und Arbeitsverbot – oder der Fall eines Mannes aus Sri-Lanka – seit 35 Jahren im Flüchtlingsheim – 35 Jahre! – fast mein ganzes Leben! Als ich als siebenjähriger meine Lehrer ärgerte, kam er hier an, voller Hoffnung. Voller Glauben an dieses Land im goldenen Westen… Soll ich den Fall weiterspinnen? Soll ich auf die schrecklichen Heime in Möhlau, in Bremen, in Ratingen, in Rheinfelden, in Schwäbisch-Hall, in Oberursel, in Augsburg, in Münster, in Gerstungen eingehen? In Gerstungen, wo mir schon im Vorfeld Hausverbot erteilt wurde, wo bereits die Polizei auf mich wartete, damit ich ja nicht in Kontakt mit den Flüchtlingen trete! Die NPD hatte dort übrigens keine Probleme, das Heim zu besichtigen und ihre zynischen Flugblätter zu verteilen, in denen sie „Heimreisefinanzierungsvorschläge“ machte. (Gerstungen ist übrigens nicht das einzige Heim, in das ich nicht hinein darf. Besonders die privatisierten Einrichtungen, also diejenigen, die sich in der Hand privater Unternehmer befinden, sprechen immer wieder davon, daß die Flüchtlinge kein Interesse an einer Begegnung hätten (wie in Berlin-Marzahn) oder sprechen schlicht Besuchsverbote aus.)
Ich war dann trotzdem in Gerstungen.
Nicht offiziell diesmal. Und werde wieder hin gehen. Und nicht nur ich, davon bin ich überzeugt. Weil es ein Ort ist, in dem die Menschlichkeit im Sterben liegt. Bei dem Wegschauen schuldig macht. Ein Familienvater, der im Schlafanzug frühmorgens ein paar Meter in die falsche Richtung spaziert und die Landkreisgrenze überschreitet, die unmittelbar neben dem Heim verläuft – und ein Polizist, der ihm deshalb eine saftige Geldstrafe aufbrummt, eine Geldstrafe, die er nicht zahlen kann. Ein Flüchtlingskind, das sich an scharfkantigen Metallteilen auf dem Gelände schwer verletzt – und die Metallteile sind immer noch dort – ein Jugendlicher, der mit einem Stock die Scheiben des nahen Edekaladens zerschlägt und dann selbst die Polizei ruft, um ins Gefängnis zu kommen, weil das Leben dort erträglicher ist. Geschichten! So viele Geschichten trage ich mit – und so viele Schicksale – und so tolle Menschen, so viel Gastfreundschaft trotz all der Not – und die Hoffnung, ich könnte ihnen vielleicht helfen. Aber wie könnte ich? Denn die Gesetze erlauben ja nicht einmal das: ich kann ihnen keine Arbeit geben. Selbst wenn ich hätte: ich dürfte ihnen keine Wohnung geben, nicht einmal zum Urlaub kann ich sie einladen ohne die Erlaubnis der Behörden. Geschätzte 40.000 Menschen leben so, in Lagern wie diesen, in Unfreiheit, in Isolation, in geistigen Stillstand gezwungen und ohne Perspektive. Sie werden krank, depressiv, sie leben in ständiger Angst, die Polizei klopft an die Tür und setzt sie ins nächste Flugzeug. Menschen, die nichts Schlimmes getan haben – Menschen, die sich in ihren Ländern für andere eingesetzt haben, die mutig gegen den Terror von Diktaturen angegangen sind, überzeugte Demokraten – und wenn schon überall das Horrorbild des lauernden Terroristen geschaffen wird: wer ist wohl eher zu Verzweiflungstaten bereit: der gequälte, in die Ecke gedrängte, zu Stillstand gezwungene Mensch oder derjenige, der sich entfalten darf, der freundlich und mit Achtung aufgenommen wird? Immer wieder höre ich folgenden Satz: „Gefängnis wäre besser! Denn dort wüssten wir wenigstens, warum wir verurteilt wurden! Hier liegt die Schuld darin, dass wir im falschen Land geboren wurden!“ – klingt das nicht bekannt? Lag die Schuld vor sechzig Jahren nicht auch darin „im falschen Land geboren zu sein“?
Daß es auch anders geht, möchte ich auch betonen.
Viele dieser engmaschigen Gesetze und Bestimmungen haben „Ermessensgrundlagen“, d.h. die zuständigen Menschen in den Behörden und die Heimleitungen könnten auch viel menschlicher agieren. Erschreckend ist, daß sie es so selten tun.
Positiv aufgefallen sind mir in dem Zusammenhang z.B. Flüchtlingseinrichtung in Bremerhaven, auch in Potsdam, auch in Heidelberg – seltene Lichtblicke, bei denen sich Heimleitung und Behörden bemühen, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, ausreichend Wohnraum, Bildungsangebote, Spielzimmer oder sogar Kindergartenbetreuung. So, wie es eben sein sollte: ein Mindestmaß an Achtung und Gerechtigkeit. Und vor allem zeigen diese Beispiele, daß es ja eben doch möglich ist, die Menschlichkeit in solchen Einrichtungen aufrecht zu erhalten. Man muß nur wollen.
Was konnten wir bewirken?
Nun in allererster Linie wieder – wie bei den beiden anderen beiden Triathlonthemen – Öffentlichkeit schaffen! Wobei sehr auffällig war, wie sich vor allem die größeren Medien bedeckt hielten. Hatte ich beim Flussprojekt noch alle drei Tage ein Kamerateam zur Seite, so zeigten die dritten Programme, die politischen Redaktionen, selbst die aufgeschlosseneren Rundfunkstationen (bis auf Deutschlandfunk und Deutschlandradio, die bislang mit offenen Ohren und großer Aufmerksamkeit jedem Thema begegnet sind) recht wenig Interesse. Aufschlussreich fand ich die Fälle, in denen einzelne Redakteure und Journalisten etwas zu dem Thema bringen wollten, aber von den Programmchefs zurückgewunken wurden. Dennoch haben wir durch diese Aktion viele erreicht: fast alle örtlichen Zeitungen haben (zum Teil mehrfach) darüber berichtet. Auch die unabhängigen Lokalradios waren sehr engagiert. TAZ, Süddeutsche und FAZ brachten Artikel zu dem Projekt. Und es waren weit über 10.000 Konzertbesucher da. Die Reaktion auf den Konzerten war immer sehr betroffen, ja erschrocken, manchmal ungläubig – dass so etwas möglich ist bei uns, dass die Flüchtlinge tatsächlich in solchen unmenschlichen Sackgassen feststecken!
Wir haben ein tolles Publikum, das musste ich wieder feststellen – denn die Betroffenheit führte sofort zu Reaktionen: mehr als 500 ehrenamtliche Helfer meldeten sich bei den anwesenden Flüchtlingsorganisationen.
Die Spenden.
Diese Tour war, ähnlich wie das Flussprojekt, nicht billig. Die Unkosten setzen sich zusammen aus Benzin für zwei bis drei Begleitfahrzeuge, Zugfahrten, Mietwagenkosten, Materialkosten, Reparaturkosten, Verpflegungskosten, Hotelübernachtungen, wenn wir kein Sponsoring bekamen oder nicht privat unterkommen konnten, Reisekosten der Gastkünstler, Verpflegung, eine kleine Aufwandsentschädigung für meine Mitmusiker, unseren Tontechniker und mich, damit wir zu Hause Miete, Krankenversicherung, und laufende Ausgaben zahlen können, Telefon, Porto, Saalmieten usw. – das mußte am Ende der Tour von den gesammelten Spenden und Zuschüssen dann abgezogen werden. Es war alles in allem mit ca. 600.- Euro pro Konzert ein Risiko, aber es ist aufgegangen, wenn auch nicht ganz so gut, wie erhofft. Am Ende der Tour können wir etwa 15.600.- Euro an den Rechtsschutz von Pro Asyl und an die lokalen Flüchtlingsorganisationen weitergeben. Zwischenzeitlich waren es ca. 25.000 – aber durch die schwachen Ergebnisse im äußeren Westen der Republik (Trier, Aachen, Düren, Wuppertal, Saarbrücken, Wiesbaden…) und durch den Zuschauereinbruch wg. Fukoschima, das den politischen Fokus ausschließlich auf die Atompolitik lenkte, büßten wir im letzten Drittel der Tour leider recht viel Geld ein.
Wir konnten helfen.
Was wir sicher auch bewirken konnten, war, einzelnen Flüchtlingen zu helfen. So haben wir durch eine spontane Unterschriftenaktion in Heidelberg und Freiburg erwirkt, daß eine Roma-Mutter die dauerhafte Besucherlaubnis bei ihren Kindern in einem entfernten Flüchtlingswohnheim erhalten hat, wir gaben vielen Musikern die Gelegenheit, mit uns wieder mal ein Konzert zu geben – oft wirkliche Weltklasse-Musiker, die als kritische Geister natürlich sehr oft aus ihren Heimatländern vertrieben werden. Wir haben uns in Einzelfällen für Rechtsanwälte oder bei den Behörden eingesetzt. Wir konnten vielerorts Denkanstöße selbst in die Politik bringen: so gab mir nach einem Gespräch der stellvertretende Innenminister in Rheinland-Pfalz die Besuchserlaubnis im Ingelheimer Abschiebeknast – und wenn alles gut läuft, werden wir für die dort inhaftierten Flüchtlinge im Sommer ein Konzert geben dürfen. Wir haben auch vieles bewirkt, denke und hoffe ich, was sich ganz meiner Kenntnis entzieht und das wie alles Gute im Stillen und Bescheidenen Blüte trägt. Und wir haben vor allem vielen Flüchtlingen das Gefühl geben können, dass sie nicht komplett vergessen sind.
Wie geht es weiter?
Als mich unmittelbar vor unserem Abschlusskonzert in München mein Pianist Enno in die Arme nahm und gratulierte: „Ein historischer Moment“ – wusste ich gar nicht, was er meinte, dachte an etwas Weltpolitisches und er musste mir erst auf die Sprünge helfen: „Der moralische Triathlon geht zu Ende!“ – so sehr war ich schon in Gedanken bei all den kulturellen und politischen Konsequenzen, die ich aus dieser Tour ziehen werde, so wenig erschien mir irgendwas abgeschlossen zu sein! Vor allem die Begegnung mit den Musikern unter den Flüchtlingen, Musiker von Weltklasse-Niveau wie gesagt, die in ihrer Heimat oft einen hohen Bekanntheitsgrad besitzen und hier mit Arbeits- und Reiseverboten belegt, noch nicht einmal die Möglichkeit haben, ihr Instrument zu erwerben oder zu spielen. Wir haben Schriftsteller und Journalisten getroffen, Theaterregisseure, Maler, Tänzer, Bühnenbildner – und meine Idee ist nun, in enger Zusammenarbeit mit ihnen und deutschen Theatern, Musikern und Schauspielern ein Musical zu schreiben und zu erarbeiten, das deutschlandweit aufgeführt werden – und auf diese besondere Art für ein Miteinander von Kulturen und Religionen werben soll. Grundlage dieses Musicals soll eine CD-Produktion sein, die ich schon im Juni dieses Jahres beginnen will und zu der ich Musiker aus den Flüchtlingsheimen einladen möchte, Musiker aus der Elfenbeinküste, Äthiopien, Gambia, Syrien, Iran, Irak, Serbien, Kosovo, Afghanistan, Indien…
Dieses Projekt kostet natürlich Geld – und da ich dieses Jahr bislang nur Benefiz gespielt habe – möchte ich das Spendenkonto offen halten. Wenn ihr also noch etwas übrig habt und das Projekt gut findet – dann könntet ihr helfen, die Reisekosten für die Flüchtlingsmusiker zu zahlen. Ich werde euch über Spendenstand /CD-Entwicklung usw. auf der Homepage auf dem Laufenden halten.
Parallel möchte ich ab jetzt all unsere Konzerte und die Festivalsaison dieses und nächstes Jahr nutzen, um Instrumente für Flüchtlinge und Kinderspielzeug / Schulränzen / Wäsche für Flüchtlingskinder zu sammeln: wir haben viel Platz in unserem Bus und so viele haben irgendwo noch eine alte Gitarre oder Bongos oder ein E-Piano oder einen Verstärker oder ein altes Schlagzeug oder eben auch Spielzeuge, Schulränzen usw. herumstehen, die sie nicht brauchen…
Die Organisationen
Zunächst möchte ich mich bedanken bei PRO ASYL und den deutschen Flüchtlingsräten, die in allen Bundesländern vertreten sind, sowie allen anderen unabhängigen Flüchtlingsinitiativen wie z.B. Stay, Karawane, Save me, No Lager Halle, The Voice uvm., die alle eine großartige Arbeit machen, meist rein ehrenamtlich und gegen große politische Widerstände.
Besonders bedanken möchte ich mich allerdings bei den drei charmanten und unermüdlichen Pro-Asyl-Ladies Nicole, Femke und Nevroz. Die drei waren rund um die Uhr für mich da!
Die Künstler
Wie auch schon beim „Lauf gegen die Kälte“ und der „Lee(h)re der Flüsse“ war die Unterstützung seitens meiner Künstlerkollegen einfach grandios und für mich eine wunderbare menschliche Erfahrung. Neu – und von besonderem Zauber – war es, mit so vielen Musikern anderer Kulturen die Bühne teilen zu dürfen. Dank also an Revelino, Jessica, Happy, Basir, Djali, Hossan, Sharan, Nurjana, Achmed, Ahmedi, Mustafa, Djuna, Albina, Drago, Esmail, sowie Geoan, Ali, Komma, Behzad, Sam und Deniy als Musiker aus den Flüchtlingslagern – und an Anka Zink, Bodo Wartke, Clown Zack, Clownsprechstunde Potsdam, Defunk, Der Fall Böse, Dota, Fortunate Fools, Fosbury Flop, Götz Widmann, Gregor Wollny, Gunzi Heil, Gymmick, Hakim Ludin, Hand in Hand, Hannes Wader, Ingo Pohlmann, Jan Plewka, Becki, Jess Jochimsen, Katharina Franck, Lucille, Lushus, Manfred Maurenbrecher, Mulattenpack, Music for the kitchen, Nöff, Ruben, Simon & Jan, Stoppok, Thomsen, Bernhard Bentgens, Swingstep Tanzshow, Villa Zapata, Stephan Hiss & Frank Bayer – ihr alle habt diese Konzerte zu einem unvergesslichen Miteinander gestaltet. Habt vielen vielen Dank dafür!
Mein „Team“
Euch gebührt der größte Dank. Wer kann schon von sich behaupten, daß er Mitmusiker hat, die über die Jahre so treu sind: nicht nur so gut wie ohne Gage die 160 Benefizkonzerte des Triathlons mitzuspielen, nein, auch noch bei Wind und Wetter durch die Republik laufen, Kanu laden, in Rhein und Ruhr und Elbe schwimmen, aufladen, abladen, oder wie jetzt über Eis und im Sturm die seltsamsten Radwege Deutschlands erkunden, dann Soundcheck, bis Mitternacht musizieren, bis drei Uhr morgens am Kickertisch stehen – und alles von vorne – und wieder und wieder! Es ist ein sehr beglückendes Erlebnis in euch nicht nur Musiker gefunden zu haben, die auch weltanschaulich hinter mir stehen, sondern richtige Freunde: Danke Enno Dugnus, Ingo Hassenstein, Claudio Spieler, Dominik Dittrich, Maria Schneider, Bastian Bruchmann und Arne Assmann für euren unglaublichen Einsatz! Ebenso danke ich Ali – dem Tontechniker meines Vertrauens – für seine unermüdliche Unterstützung und sein tolles Engagement.
Danke
Ich danke außerdem meinen Kindern dafür, daß sie mit ihrem rebellischen Papa so viel Verständnis hatten und so lange und so oft schon auf ihn verzichten und sich Sorgen machen mussten.
Ich danke all den Sponsoren – den Menschen in Kulturämtern, den Bürgermeistern mit offenen Herzen, den Stiftungen, den vielen vielen Privatpersonen für ihre finanzielle Unterstützung.
Ich danke auch allen Veranstaltern, die, ohne einen Cent zu verdienen, sich so unglaublich bemüht haben, diese Projekte zu einem Erfolg werden zu lassen.
Ich danke auch meinem kreativen und tollen Webmaster Carsten Dobschat, der zu jeder Tages- und Nachtzeit bereit stand auch die irrsinnigsten Wünsche zu erfüllen.
Ich danke Linn, meiner guten Nordfee, die bei Sturmwindstärke 16 noch die lässigsten Fotos macht und danke auch Rebecca, die jeden Moment nutzt, ihrem wahnsinnigen Freund zur Seite zu stehen. Ich danke auch meiner Mumincita, die sich immer so viele Sorgen um ihren wilden Jungen machen muß – immer noch und immer wieder!
Ein Riesendank gebührt… allen Mitfahrern, Mitschwimmern und Mitläufern des Triathlons, die bereit waren, die Strapazen mitzutragen und durch ihren Einsatz das Projekt unglaublich unterstützten. In diesem Sinne bei der 1000 Brücken Tour ein besonderer Dank an Christoph, der auch ohne Schuhe eine Riesenhilfe war.
Heimliche Helden der 1000-Brücken-Tour sind für mich aber Matze und Manni – Matze, der uns von München an fast ununterbrochen begleitete, der mit Rat und Tat immer für uns da war! – und Manni aus Neuruppin, der uns nicht nur einen Monat lang seinen schönen Volvo zur Verfügung stellte, sondern auch zeigte, wie man mit dem Willen, Gutes zu tun und mit allem Einsatz eines umsichtigen Veranstalters Neuruppin zum Spitzenreiter der Spendentabelle machte.