Erklärung zur Integrationsmedallie 2012
Am 24.10 bekomme ich, vorgeschlagen von den Fraktionsvorsitzenden der Grünen Jürgen Trittin und Renate Künast, die Integrationsmedallie der Bundesregierung verliehen. Im ersten Reflex war ich stark versucht, sie abzulehnen, denn ich bekomme sie verliehen für mein Engagement für Flüchtlinge, insbesondere für das laufende Refugee-Musikprojekt. Für ein Engagement also, das für mich notwendig wurde, eben weil die Politik der Bundesrepublik Flüchtlinge so menschenunwürdig und gegen Prinzipien des Grundgesetzes behandelt und auf ein gesellschaftliches und geistiges Abstellgleis führt, das jede Art von Integration und persönliches Wohlbefinden unmöglich macht. Einschränkung der Reisefreiheit, kein grundsätzliches Recht auf Ausbildung und Arbeit, minderwertige medizinische Versorgung, ein Dasein in Lagern, in denen katastrophale hygienische Zustände herrschen und das oft für zehn oder mehr Jahre, sind nur einige wenige verheerende Punkte dieser Politik. Daß ich mich nach langem Nachdenken nun doch dazu entschieden habe, die Medallie anzunehmen, hängt mit einigen Überlegungen zusammen, die ich gerne mit euch teilen möchte.
Zum einen kommt die Nominierung von einer Partei, die sich zur Zeit in den Länderparlamenten, in denen sie mitregiert, zwar nicht wirklich massiv, aber doch immerhin deutlich spürbar, für einen humaneren Umgang mit Flüchtlingen einsetzt. Zum anderen glaube und hoffe ich auch, dass durch eine solche offizielle Ehrung viele Menschen aus der bügerlichen Mitte, die Flüchtlingen gegenüber Vorbehalte und Vorurteile besitzen mögen und auch einen anarchistischen Typen wie mich mit spürbarem Mißtrauen betrachten, sich dem Projekt und dem Thema leichter öffnen können und durch das Lob und das Gutheißen „ihrer“ Regierung die Scheu vor einer Begegnung mit uns verlieren.
Vorallem aber hoffe ich, daß der Staat nicht so heuchlerisch sein wird, auf der einen Seite ein solches Projekt mit einer Medallie auszuzeichnen und auf der anderen Seite die Musiker aus den Flüchtlingslagern, mit denen ich arbeite und ohne die das Projekt unmöglich wäre, abzuschieben. Ich hoffe also sehr, dass diese Auszeichnung auch einen konkreten Abschiebeschutz für die involvierten Musiker bedeutet.
Einer dieser Musiker, Dawda Nyassi aus Gambia, machte mich darauf aufmerksam, dass eine Idee, die im schrecklichen Elend der Flüchtlingslager ihren Anfang fand, es nun bis in die Hallen des Bundeskanzleramtes geschafft hat. Das ist ein sehr schöner Aspekt des Ganzen.
Das Kriterium für die Preisverleihung war die Nachhaltigkeit und der Modellcharakter des Projektes. Wenn man das ernst nimmt (und warum sollte man nicht?), kann das doch nur bedeuten: dass alle nach Deutschland geflüchteten Menschen die Unterstützung bekommen sollten, die meine Mitmusiker von Strom & Wasser und ich ihnen gegeben haben. Und wer anderes als Politiker sollten hierbei den Anfang machen, allen voran natürlich die Bundesregierung selbst, die diesen Preis verleiht. Denn mit dem bloßen Umhängen einer Medallie, das wissen wir alle, ist noch gar nichts getan auf der Welt.
Daher freue ich mich nicht nur über diese Auszeichnung, ich freue mich insbesondere über eine gute Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Integration und Flüchtlinge bei der Fortsetzung dieses Projektes 2013 und auf eine künftig flüchtlingsfreundlichere Politik der Bundesregierung!